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Im Schneckentempo zum Tempolimit?

01. März 2016 Klaus-Peter Görlitzer

Die Nachricht klingt nicht gerade aufregend: Am 14. Dezember 2016 ist die von Bundestag und Bundesrat geänderte Straßenverkehrsordnung (StVO) in Kraft getreten! Diese Reform ist aber tatsächlich ein bemerkenswerter Fortschritt, denn sie legitimiert auch, was viele Menschen seit vielen Jahren fordern: Tempo 30 darf nun auch auf großen, viel befahrenen Straßen vorbeugend – also ohne Nachweis einer besonderen Gefahrenlage – angeordnet werden, und zwar „im unmittelbaren Bereich“ von Kindergärten, Kindertagesstätten, allgemeinbildenden Schulen, Förderschulen, Alten- und Pflegeheimen oder Krankenhäusern.

In Barmbek-Süd besteht Handlungsbedarf mindestens auf Friedrichsberger Straße und Dehnhaide, wo Kita Frieberg, Adolph-Schönfelder-Schule und Schön-Klinik liegen, das haben auch Eltern, Anwohner und Stadtteilrat immer wieder betont. Allerdings lässt die StVO-Reform einen Ermessensspielraum, den auch Gegner der Reform nutzen könnten: Die Kommunen dürfen Tempo 30 anordnen, sie müssen dies aber nicht tun; zuständig in Hamburg sind Innenbehörde und Polizei. Ein örtlich Verantwortlicher war am 1. Februar zu Gast im Stadtteilrat: Peter Vogt, „Leiter Prävention und Verkehr“ im hiesigen Polizeikommissariat 31. Zunächst erklärte Vogt, dass er im Prinzip befürworte, was der Gesetzgeber bisher aber gar nicht will: Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit innerorts, also überall im Stadtgebiet. Zur konkreten Frage, wann das jetzt rechtlich Mögliche getan werde und auf welchen Abschnitten von Friedrichsberger Straße und Dehnhaide denn nun Tempo 30 eingeführt werde, musste Vogt leider passen. Bevor darüber entschieden werden könne, müsse erst mal eine neue Richtlinie zur Auslegung der geänderten StVO abgewartet werden, die eine Arbeitsgruppe bei der Hamburger Innenbehörde voraussichtlich bis Ende März vorlegen werde; zudem fehlt noch eine ergänzende „Allgemeine Verwaltungsvorschrift“ des Bundes zur StVO, die zum Beispiel hilft, unscharfe Begriffe wie „im unmittelbaren Bereich“ von Schulen, Kitas etc. zu verstehen.

Das alles klingt kompliziert, bürokratisch, langwierig – und nach der Notwendigkeit, dass Bürger und Gemeinschaftseinrichtungen wohl weiter Druck machen müssen. Für Bewegung könnte bald auch die Bezirksversammlung Hamburg-Nord sorgen, denn zur Sitzung am 23. März planen die Fraktionen von SPD und Grünen einen gemeinsamen Antrag – Motto: „StVO-Änderung nutzen – Tempo 30 in sensiblen Bereichen einrichten und verstärkt überwachen!“ Das Papier plädiert nicht nur für Tempo 30 möglichst vor allen Schulen, Kitas, Seniorenwohnanlagen, Kliniken und Einrichtungen für Menschen mit Behinderung in Hamburg-Nord. Angemahnt werden auch „häufigere Geschwindigkeitsmessungen mit Ansprache sich falsch verhaltender Fahrerinnen und Fahrer“; außerdem „deutlich häufiger“ Buß- und Verwarngelder.

Wie viel Anlass zum Reden und Sanktionieren es gibt, lässt eine Stichprobe des ADAC Hansa erahnen. Der Automobil-Club hat vor 15 Hamburger Schulen, vor denen bereits Tempo 30 gilt, die tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeiten gemessen; binnen zwei Wochen wurden 53.668 Fahrzeuge anonymisiert kontrolliert. „Die Ergebnisse“, so die ADAC-Mitteilung vom 13. Februar, seien „ernüchternd bis erschreckend“: Fast jeder dritte Autofahrer sei mit mehr als 35 km/h an den Schulen vorbeigefahren.

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